Sonntag, 3. Juli 2011

PCB - ein gefährliches Kindergift

PCB ist die Abkürzung für polychlorierte Biphenyle, hierbei handelt es sich nicht um einen einzelnen Stoff, sondern ist die Bezeichnung für eine bestimmte Gruppe von aromatischen, chlorierten Kohlenwasserstoffen. Insgesamt sind 209 polychlorierte Biphenyle (PCB) bekannt, diese werden auch als Kongenere bezeichnet. PCB-Kongenere mit einem überwiegend hohen Chlorgehalt weisen als Verunreinigungen Dibenzofurane und Dibenzodioxine auf. Üblicherweise werden nur sechs Kongenere zur Einschätzung der PCB-Belastung gemessen, jedoch ist nach Ansicht von dem Landesumweltamt NRW, Hrsg. (2002) dies für eine umfassende Beurteilung der Gesamtbelastung ungeeignet, da die besonders toxischen koplanaren PCB Nr. 77, 126 und 169 nicht erfasst werden.

Gesundheitliche Gefährdung durch PCB

PCB  weist nur eine geringe akute Giftigkeit auf, die chronische Wirkung ist jedoch verheerend. Dies liegt einerseits an der Langlebigkeit von PCB, anderseits an der guten Fettlöslichkeit. Einmal aufgenommenes PCB wird im Körper gespeichert und kaum abgebaut. Die Aufnahme auch von kleineren Mengen über einen längeren Zeitpunkt kann bereits zu ernsten Gesundheitsschäden führen.
PCB-haltiger Kondensator
Quelle: U. Seifert,  wikimedia.org
PCB wirkt sich negativ auf die Fortpflanzungsfähigkeit aus und ist wahrscheinlich auch fruchtschädigend. Zudem besteht ein begründeter Verdacht auf eine kanzerogene (Krebs hervorrufende) Wirkung. Bei einer oralen Aufnahme kann dies auch Auswirkungen auf die Immunabwehr haben und wahrscheinlich auch schwerwiegende Entwicklungsstörungen bei Kindern hervorrufen. Krug (2008) berichtet von Kindern, die in PCB belasteten Gebäuden unterichtet wurden und dort eine erhöhte Hyperaktivität und Aggressivität entwickelten, er bezeichnet daher PCB auch sehr treffend als Schulgift. Krug wurde 1970 jüngster Schuldirektor Hessens in einer Grundschule in Baunatal, zwanzig Jahre später mußte er frühpensioniert werden, da die Schule hochgradig mit PCB und anderen Gebäudeschadstoffen belastet war. Die Schule wurde wenige Jahre nach der Pensionierung abgerissen, obwohl sie erst 1970 erbaut worden war.

PCB-haltige Fugenmasse
Vorkommen von PCB
PCB wurde früher in Kondensatoren, dauerelastischen Dichtmassen (insbesondere bei Betonfertigteilen) und Anstrichsystemen verwendet. Besonders häufig sind öffentliche Gebäude und Hochhäuser, die zwischen 1955 und 1975 erbaut wurden, betroffen. Insbesondere sind häufig Kindertagesstätten und Schulen aus dieser Zeit mit PCB-haltigen Materialien erbaut worden, problematisch ist hier das Kinder mehr Staub als Erwachsene aufnehmen und aufgrund des geringeren Körpergewichtes stärker gefährdet sind.

PCB-Richtlinie
Die PCB-Richtlinie soll zur Bewertung einer PCB-Belastung der Raumluft herangezogen werden und sieht drei Kategorien vor:

unter 300 ng/m³      auch längerfristig keine Gefahr
300 - 3.000 ng/m³  mittelfristiger Sanierungsziel, umfangreiche Sanierunsmaßnahmen
                              werden nicht durchgeführt
über 3.000 ng/m³    umfangreiche Sanierungsmaßnahmen müssen sofort 
                              umgesetzt werden

Gelegentlich versucht man sogar 900 ng/m³ auf 300 ng/m³ "runterzurechnen", d.h. es wird argumentiert das jemand der acht Stunden einer Raumluft mit 900 ng/m³ PCB ausgesetzt ist, auf den Tag verteilt nur einer Belastung von 300 ng/m³ ausgesetzt sei. Dies ist jedoch eine klare "Milchmädchenrechnung", da hier vorausgesetzt wird das der oder die Betroffene außerhalb der Arbeitszeit keiner weiteren Belastung ausgesetzt sei.

Ein Beispiel:

Szenario 1:  8 Stunden bei einer Belastung mit 900 ng/m³ PCB + 16 Stunden 0 ng/m³
                   PCB    = 300 ng /m³ PCB über den Tag gerechnet,
Szenario 2:  8 Stunden bei einer Belastung mit 900 ng/m³ PCB
                   + 4 Stunden 0 ng/m³ PCB + 12 Stunden 250 ng/m³ PCB
                   = 425 ng/m³ PCB

Bei Szenario 2 wäre in der Wohnung eine geringe (im Sinne der PCB-Richtlinie) Belastung von 250 ng/m³ vorhanden, dies würde hier zu einer "Gesamtbelastung" von 425 ng/m³ führen und wäre auch nach der gültigen PCB Richtlinie längerfristig nicht tolerierbar.
Eine Expertengruppe des Landesumweltamtes NRW(2002) hält dagegen wesentlich niedrigere Richtwerte für die PCB-Belastung der Raumluft aus toxikologischer Sicht für angebracht. Hier wird ein Interventionswert ("Eingreifwert") von 70 ng/m³ bei einer Raumnutzung von mehr als sieben Stunden vorgeschlagen, bei unter sieben Stunden Raumnutzung sollten maximal 200 ng/m³ PCB in der Raumluft nachweisbar sein. Selbst bei diesen vorgeschlagenen, niedrigen Werten wird die mögliche kanzerogene Wirkung nach Aussage der Autoren ausdrücklich nicht berücksichtigt.
Leider stellt die PCB-Richtlinie mehr einen Kompromiss aus Gesundheitsschutz und finanziellen Gesichtspunkten dar.
Hier finden Sie weitere Informationen zu Raumschadstoffe.

Weitere Informationen zum Thema PCB:

Wolfgang Krug (2008): Kinderhirn in Not. PDF (sehr lesenswert mit vielen Beispielen)

Landesumweltamt NRW, Hrsg. (2002): Toxikologische Bewertung polychlorierter Biphenyle (PCB) bei inhalativer Aufnahme. Materialien Nr. 62  (Umfangreiche Studie zur Aufnahme von PCB, als PDF downloadbar)